Bäche, Teiche und Fachwerk

Abschnitt 1:

Von der Quel­le bis Rheda-Wiedenbrück

Kreuz und quer

Abschnitt 2:

Von Rheda-Wie­den­brück bis Warendorf

Alte und neue Betten

Abschnitt 3:

Von Waren­dorf bis Greven

Kurvenreich

Abschnitt 4:

Von Gre­ven bis zur nie­der­säch­si­schen Landesgrenze

3

Kreuz und quer

Abschnitt 2: Von Rheda-Wiedenbrück bis Warendorf (45 Kilometer)

Mal rechts der Ems, mal links der Ems, aber nur sel­ten direkt am Fluss ent­lang: Nach­dem der Rad­ler Rheda-Wie­den­brück hin­ter sich gelas­sen hat, spürt er bei sei­nen regel­mä­ßi­gen „Sei­ten­wech­seln“, wie die Ems lang­sam zu einem klei­nen Fluss anwächst.

Dass der Ems­Rad­weg auf die­sem Abschnitt den Fluss häu­fi­ger links lie­gen lässt, ist nicht unbe­dingt von Nach­teil. Inter­es­san­ter als die hier stark begra­dig­te Ems ist die umge­ben­de Land­schaft, die sie mit­ge­formt hat. Zu ihr gehö­ren Dünen wie die Boom­ber­ge und Mat­tel­manns Heide mit ihrer spe­zi­el­len Tier- und Pflan­zen­welt. Über­haupt: Der Sand, den Wind und Was­ser wäh­rend der letz­ten Eis­zeit hier ver­teilt haben, ist allgegenwärtig.

Bis ins 19. Jahr­hun­dert hin­ein waren weite Teile der Ems­sand­ebe­ne eine karge Hei­de­land­schaft, die kei­nen Reich­tum ver­sprach. Mit den heu­ti­gen Mög­lich­kei­ten der Land­wirt­schaft hat sich das geän­dert, nicht immer zum Vor­teil der Land­schaft. So domi­niert vie­ler­orts der Acker­bau, der auch die Ems­aue nicht ausspart.

Der Rad­weg mei­det auf die­ser Ems­par­tie nicht nur den Fluss, son­dern auch grö­ße­re Ort­schaf­ten. So bleibt bis Waren­dorf vor allem der Har­se­win­ke­l­er Stadt­teil Mari­en­feld mit sei­nem ehe­ma­li­gen Zis­ter zien­ser­klos­ter im Gedächtnis.

Erst Waren­dorf kon­fron­tiert den Rad­ler wie­der mit „urba­nem“ Leben. Spä­tes­tens mit der ehe­ma­li­gen Han­se­stadt ist auch das Müns­ter­land erreicht. Das ist bekannt­lich nicht nur Fahrrad‑, son­dern auch Pfer­de­land, was bei einem Rund­gang durch die alten Gas­sen der „Stadt des Pfer­des“ unüber­seh­bar ist.

Natur trifft Park – Erlenbruch und Schlosswiesen Rheda

In Rheda-Wie­den­brück ver­läuft der Ems­Rad­weg mit­ten durch den Flora West­fa­li­ca-Park, einem ehe­ma­li­gen Lan­des­gar­ten­schau­ge­län­de. Als fast drei Kilo­me­ter lan­ges grü­nes Band ent­lang der rena­tu­rier­ten Ems ver­bin­det er die bei­den Stadt­tei­le Rheda und Wie­den­brück. Herz­stück des Parks ist das erst­mals im Jahr 1170 erwähn­te Was­ser­schloss Rheda.

Es liegt inmit­ten eines Natur­schutz­ge­bie­tes mit Feucht­wie­sen und einem Erlen­bruch­wald. Der hohe Grund­was­ser­stand beruht auf einem künst­li­chen Anstau der Ems und ist erfor­der­lich für den Erhalt der Eichen­pfäh­le, auf denen das Schloss erbaut ist.

Vor dem Schloss wuschen die Frau­en frü­her mit Wäsche­stamp­fer und Wasch­brett die Wäsche, um sie anschlie­ßend zum Blei­chen in der Sonne auf den Wie­sen aus­zu­brei­ten. In den nas­sen Bleich­wie­sen, die heute land­wirt­schaft­lich genutzt sind, wach­sen Kuckucks-Licht­nel­ke, Was­ser-Greis­kraut und Teu­fels­ab­biss, die vie­ler­orts sel­ten gewor­den sind.

Der Erlen­bruch­wald an der Ems ist im Win­ter über­flu­tet, was außer der Schwarz-Erle keine Baum­art ver­trägt. Im Früh­jahr über­zie­hen Sumpf-Dot­ter­blu­me, Schwert­li­lie und Schar­bocks­kraut den Wald mit einem gel­ben Blü­ten­tep­pich. Mit etwas Glück kann man den Klein­specht beob­ach­ten oder über der Ems den schil­lern­den Eis­vo­gel flie­gen sehen.

Wasserfest

Wo inner­halb der Ems­aue das Grund­was­ser das ganze Jahr hoch ansteht, haben sich stel­len­wei­se Bruch­wäl­der erhal­ten. Sie sind das Reich der Schwarz-Erle. Nasse Füße machen ihr wenig aus. Im Gegen­teil: Die Fähig­keit, lange Zeit mit den Wur­zeln im Was­ser ste­hen zu kön­nen, ist ihr ent­schei­den­der Kon­kur­renz­vor­teil. Als „Schnor­chel“ fun­gie­ren an der Stamm­ba­sis Öff­nun­gen in der Rinde und Luft­ka­nä­le, die die Luft­ver­sor­gung der Wur­zeln sichern. Erst wenn die Stamm­ba­sis lange über­schwemmt ist, haben auch Erlen ein Pro­blem. Dass am Schloss­park Rheda viele Erlen abge­stor­ben sind, hat einen ande­ren Grund. Sie sind Opfer einer Krank­heit geworden.

Glänzender Frühlingsbote – Sumpfdotterblume

Frü­her gab sie den nas­sen Wie­sen im Früh­jahr einen gold­gel­ben Schim­mer. Heute sind eher Gra­ben­rän­der und nasse Bruch­wäl­der die Hei­mat der Sumpf­dot­ter­blu­me. Dort ver­kün­den die fet­tig­glän­zen­den gel­ben Blü­ten den Früh­ling. But­ter­blu­me ist ein wei­te­rer, aber nicht ein­deu­ti­ger Name für die hüb­sche Pflan­ze, weil ihre Blü­ten – wie die ande­rer Arten auch – die But­ter frü­her gelb färb­ten. Aller­dings ist die Pflan­ze schwach gif­tig. Kühe wis­sen es bes­ser. Sie ver­schmä­hen die Sumpf­dot­ter­blu­me lieber….

Bedeutende Binnendünen – Boomberge

Die Boom­ber­ge sind mit ihren mage­ren Sand­stand­or­ten ein bedeu­ten­des Bin­nen­dü­nen­ge­biet im Ems­tal. Aus­gangs der letz­ten Eis­zeit, vor mehr als 10 000 Jah­ren, zogen sich die Eis­mas­sen lang­sam zurück. Star­ke Winde feg­ten über die blan­ke, vege­ta­ti­ons­freie Land­schaft und ver­frach­te­ten die leich­ten Sand­par­ti­kel oft kilo­me­ter­weit, um sie an ande­rer Stel­le als Dünen abzu­la­gern. Sie sind hier in den Boom­ber­gen beson­ders mächtig.

Rodung und Wald­wei­de begüns­tig­ten seit dem Mit­tel­al­ter in den Boom­ber­gen die Bil­dung aus­ge­dehn­ter Hei­de­flä­chen, in denen bis zum Beginn des 20. Jahr­hun­derts Scha­fe wei­de­ten. Dann wurde die Heide mit genüg­sa­men Kie­fern aufgeforstet.

Unter ihrem lich­ten Schirm sie­del­ten sich Laub­ge­höl­ze wie Eichen, Bir­ken und Eber­eschen an. Eine Etage tie­fer wach­sen gefähr­de­te Pflan­zen wie Glo­cken­hei­de und Prei­sel­bee­re. An Wald­rän­dern und auf Lich­tun­gen brü­ten Baum­pie­per und Trauerschnäpper.

Offe­ne und besonn­te Stel­len in den Boom­ber­gen sind ein Refu­gi­um für Sil­ber­gras, Bau­ern­senf und Früh­lings-Spark. Im locke­ren Sand gra­ben Wild­bie­nen ihre Bruthöhlen.

Mehr Licht!

Ein genau­es Hin­schau­en in den Boom­ber­gen loh­nen Wald­lich­tun­gen sowie besonn­te Wald- und Weg­rän­der mit Sand­ma­ger­ra­sen. Licht­lie­ben­de Arten und „Hun­ger­künst­ler“ wie Sil­ber­gras, Bau­ern­senf, Früh­lings-Spark fris­ten hier ein Dasein unter schwe­ren Bedin­gun­gen: Das Was­ser ver­si­ckert schnell und die Sonne heizt ihnen kräf­tig ein. Den von der Sonne erwärm­ten Sand schät­zen wie­der­um Wild­bie­nen. Sie gra­ben Nist­höh­len im locke­ren Sand, in denen sich im Som­mer der Nach­wuchs entwickelt.

Fallensteller im Sand

Dass man die Larve bes­ser kennt als das eigent­li­che Insekt und beide auch noch unter­schied­li­che Namen haben, ist im Tier­reich eher unge­wöhn­lich. Bei der Amei­sen­jung­fer ist es so. Ihre Lar­ven fir­mie­ren unter dem Namen Amei­sen­lö­we. Klingt nicht nur gefähr­lich, son­dern ist es auch, vor allem für Amei­sen. Der Amei­sen­lö­we lebt im locke­ren Sand und baut dort klei­ne Trich­ter. Fällt eine Amei­se hin­ein, beschmeißt der Amei­sen­lö­we sie mit Sand. Das Opfer rutscht immer wei­ter ab bis zum Trich­ter­grund, wo es von zwei kräf­ti­gen Beiß­zan­gen erwar­tet wird. Die fer­ti­ge Amei­sen­jung­fer erin­nert ein wenig an eine Libel­le und ist nachtaktiv.

Die Ems-Eskorte – Talgräben

Zwi­schen Har­se­win­kel und Waren­dorf wird die Ems zu bei­den Sei­ten von Tal­grä­ben beglei­tet. Ohne sie wäre schon vor der Fluss­re­gu­lie­rung eine inten­si­ve­re land­wirt­schaft­li­che Nut­zung der Aue kaum mög­lich gewe­sen. Die Ems führt eine Menge Sand mit sich, der sich am Grund und bei Über­flu­tun­gen im Ufer­be­reich ablagerte.

Dies führ­te im Laufe der Zeit zu einer Erhö­hung des Fluss­bet­tes und zur Aus­bil­dung so genann­ter Ufer­wäl­le, die das natür­li­che Gefäl­le in der Aue umkehr­ten. Über­flu­tungs- und Regen­was­ser floss nicht ab, son­dern sam­mel­te sich am Rand der Aue vor den Ter­ras­sen­kan­ten und sorg­te dafür, dass es für eine Bewirt­schaf­tung zu nass war.

Erst die im 19. Jahr­hun­dert und spä­ter beim Ems­aus­bau ange­leg­ten Tal­grä­ben schaff­ten Abhil­fe, indem sie das Was­ser abführ­ten. Heute haben sich die Tal­grä­ben mit Schwimm­blatt­ge­sell­schaf­ten, Röh­rich­ten und Hoch­stau­den­flu­ren zu einem wert­vol­len Lebens­raum entwickelt.

Die Helm-Azur­jung­fer, eine euro­pa­weit gefähr­de­te Libel­le, hat im nörd­li­chen Tal­gra­ben eines ihrer weni­gen Vor­kom­men in Nord­rhein-West­fa­len. Von der Neuen Mühle aus, rund 100 m süd­lich des Ems­Rad­we­ges, kann man sie beobachten.

Das Mühl­rad des denk­mal­ge­schütz­ten Gebäu­des ist nicht mehr vor­han­den. Und wäre heute wohl auch ziem­lich nutz­los. Die Ems, die einst die Mühle antrieb, fließt seit der Kana­li­sie­rung vor 80 Jah­ren 200 Meter wei­ter südlich…

Gerade statt krumm

Ziem­lich schnur­ge­ra­de ver­läuft die Ems zwi­schen Rheda-Wie­den­brück und Waren­dorf. Das war nicht immer so. Der Kar­ten­aus­schnitt zeigt den Ems­ver­lauf auf dem Stadt­ge­biet Güters­loh im Jahr 1837 und heute. 1837 betrug die Länge noch etwa 5400 Meter, heute sind es nur noch 3700. Im Jahr 1898 began­nen die Pla­nun­gen für eine deut­li­che Fluss­ver­lauf­ver­kür­zung. Der voll­stän­di­ge Aus­bau erfolg­te ab 1933 durch den Reichs­ar­beits­dienst. Als Folge des Jahr­hun­dert­hoch­was­sers im Febru­ar 1946 gab es danach wei­te­re Ausbaumaßnahmen.

Helm-Azurjungfer

Euro­pa­weit streng geschützt ist die Helm-Azur­jung­fer. Damit genießt sie sogar das Pri­vi­leg, dass Gebie­te eigens zu ihrem Schutz aus­ge­wie­sen wer­den müs­sen. Die Helm-Azur­jung­fer fühlt sich in son­ni­gen Wie­sen­grä­ben mit sau­be­rem Was­ser und üppig sprie­ßen­der Unter­was­ser­ve­ge­ta­ti­on wohl. In den Tal­grä­ben der Ems hat sie eines der größ­ten Vor­kom­men in Nordrhein-Westfalen.

Wassermühlen – heute barrierefrei

Das Was­ser der Ems trieb bis ins letz­te Jahr­hun­dert hin­ein unzäh­li­ge Müh­len an, vor allem Korn- und Ölmüh­len, sel­te­ner auch Walk- und Säge­müh­len. Jeder Bau einer Was­ser­müh­le war ein Ein­griff in den Fluss: Ein Müh­len­stau war not­wen­dig, um aus­rei­chend Was­ser zur Ver­fü­gung zu haben und das meist unter­schläch­ti­ge Mühl­rad anzu­trei­ben, bei dem das Was­ser in der unte­ren Rad­hälf­te anströmt. Trotz­dem konn­ten die Müh­len bei Nied­rig­was­ser nicht immer arbeiten.

Für Fische und ande­re wan­dern­de Orga­nis­men waren die Müh­len­staue kaum über­wind­ba­re Bar­rie­ren. Umge­hungs­ge­rin­ne erleich­tern ihnen heute die Passage.

Ein Fall für Spezialisten – Dünen bei Dackmar

Das mäch­tigs­te Bin­nen­dü­nen-Sys­tem Nord­west­deutsch­lands beglei­tet die Ems. Sowohl der Wind als auch der Mensch haben ihren Teil dazu beigetragen.

Zunächst waren es Stür­me, die aus­gangs der letz­ten Eis­zeit die Dünen auf­weh­ten. Sie bewal­de­ten sich spä­ter mit Eichen, Bir­ken und Buchen. Holz, das die Men­schen im Mit­tel­al­ter gut gebrau­chen konn­ten. Sie rode­ten den Wald – und sorg­ten dafür, dass der feine Sand dem Wind erneut schutz­los aus­ge­setzt war. In Dack­mar schaff­ten es erst die vor 200 Jah­ren auf­ge­fors­te­ten Kie­fern, den Sand­ver­weh­run­gen Ein­halt zu gebieten.

Nähr­stoff­ar­mer locke­rer Sand, den die Sonne im Som­mer ordent­lich auf­ge­heizt und der kaum Was­ser spei­chert – das macht Dünen zu einem Fall für Spe­zia­lis­ten. Offe­ne , unbe­wal­de­te Dünen sind ein äußerst span­nen­der Mir­ko­kos­mos. Die Sand-Segge “ver­näht” mit unter­ir­di­schen Aus­läu­fern den Sand, der Amei­sen­lö­we baut Sand­trich­ter als töd­li­che Falle für Amei­sen, Sand­lauf­kä­fer jagen klei­ne­re Insek­ten und die Keu­len­schre­cke passt sich mit ihrer Fär­bung dem Sand­bo­den per­fekt an. Ein Schau­spiel, das nur noch sel­ten zu beob­ach­ten ist, weil offe­ne Dünen heute sel­ten sind. Teil­wei­se Ersatz bie­ten Sand­we­ge und san­di­ge Böschungen.

Tipp: Spaziergang in den Dünenwald

Süd­lich der Ems­brü­cke führt der Wan­der­weg X 19 öst­lich in die bewal­de­ten Dünen. Vor­bei an Dünen­käm­men mit schö­nen Laub­bäu­men erreicht man nach 400 Metern eine als Natur­denk­mal aus­ge­wie­se­ne Buche, deren Wur­zel­werk Wind und Was­ser frei­ge­legt haben.